Wir hatten es uns vorgenommen: ein paar Tage in der Abgeschiedenheit. Irgendwo auf einem Campingplatz fernab irgendwelcher menschlicher Ansiedlungen. Mit Högsbyns Fritidscenter och Camping am Råvarp-See haben wir’s gefunden. (Gruß an Ursula und Horst, es war ihr Tipp!)
Ein See, ein Campingplatz, fünf Camper auf dem weitläufigen Gelände, am Samstag und Sonntag ein paar Tagesbesucher aus der Umgebung, das Café noch geschlossen, der nächste Laden 4 km entfernt, Jan, der Campingplatzbetreiber, geht über’s Wochenende auf Tour, ankommende Besucher melden sich halt selbst auf den bereitgelegten Zetteln an und hinterlassen ihr Geld am Büro, schwedische Gelassenheit. So haben wir uns das vorgestellt.
Gegen Mittag plötzlich ein in dieser Stille unerwartetes, nicht enden wollendes Dröhnen. Arrivierte Freizeitrocker fortgeschrittenen Alters auf ihren beeindruckenden Maschinen. Einige ihrer Frauen sind schon am Vorabend mit ihren Autos angereist. Schließlich können sie ihre kleinen Hunde nicht auf Motorrädern mitnehmen. Sie kommen etwas nördlich von hier und haben sich für eine Nacht in das kleine Vandrarhem eingemietet. Die Jungs und Mädels baden, grillen, lachen und genießen ihr Starkøl bis in die späten Abendstunden. Nicht unangenehm.
Dann wird’s abends doch noch ein bisschen unruhig. Wie hier in Schweden oft üblich, wirft man eine Fünf-Kronen-Münze in einen Automaten und kann dafür drei Minuten duschen. (Besonderheit auf Jans Platz: der Automat rückt dann nicht nur eine Dusche warmes Wasser raus, sondern für alle. Wer will, kann also beim Kolonnenduschen sparen.) Wir sitzen am Samstagabend entspannt im Servicehus (sic!) und sehen uns das Championsleaguefinalspiel zwischen Madrid und Liverpool an. Im Hintergrund beginnt es kurze Zeit später zu rauschen. Ein duschender Camper, nehme ich an. Geschlagene zwanzig Minuten später duscht der immer noch. Wie viele Fünf-Kronen-Münzen hat der denn eingeworfen? Ich nehme an, es ist einer, denn in der Männerdusche war eben Licht. Ich gehe dann doch mal nachschauen. Kein Licht mehr in der Männerdusche, aber Rauschen hinter einer geschlossenen Tür und Wasser auf dem Flurfußboden. Ich öffne die Tür und mein Blick fällt auf eine mit großem Druck sprudelnde Fontäne im Boden. Ich rufe Werner und wir drehen alle sichtbaren Wasserhähne zu. Das beeindruckt die Fontäne aber leider gar nicht. Na, prima! Und Jan, der Campingplatzbetreiber, ist verreist. Wir versuchen ihn telefonisch zu erreichen. Vergebens. Wir sprechen andere Camper an, aber keiner weiß was und ein Klempner scheint auch nicht darunter zu sein. Trotzdem versuchen einige irgendwie zu helfen, suchen ein Absperrventil. Eine Frau versucht der Lage mit einem Wischmopp „Herr“ zu werden. Aussichtslos. Wir retten die mit Wasser vollgesogenen Läufer im Flur. Mehr bleibt uns nicht zu tun. Die zwei unglaublichen Fehler des Liverpooler Torhüters machen den Abend auch nicht schöner.
Irgendwie spricht sich das Problem der munter sprudelnden Wasserfontäne im Laufe des weiteren Abends rum bis zu jemandem, der eine aktuelle Telefonnummer von Jan hat. Für den hat sich der Wochenendausflug damit erledigt. Wie er am nächsten Morgen erzählt, hat er von morgens um eins bis früh um fünf rumgefrickelt und das Problem gelöst. Er sieht echt unausgeschlafen aus.
Ihr zwei, jetzt habe ich was über eure Kernkompetenz gelernt, aber heißt das nicht „Relegation“? Ich hör davon öfter im Fernsehen, wenn von Fußball die Rede ist, und wusste nicht, dass ihr da auch mitmacht. Hier wär es zu heiß dafür, gerade, aber im kühlen Norden lässt sich bestimmt gut relegieren.
Nächstes Heimspiel Mitte nächster Woche, hat Louis angedeutet?
Relegieren statt Delegieren, Louis schaut eben nach, was man darauf antworten könnte. Solange das dauert, schreibe ich etwas zur Fußballweltmeisterschaft. Wir haben unsere Anstrengungen, Weltmeister zu werden, an die Nationalmannschaft delegiert. Und sie wird das hinbekommen. Wenn nicht, wird sie Relegieren und zwar ganz saumäßig.
Ein spannendes Erlebnis, Louis,
vielleicht hatte die Titulierung deiner anderen Geschichte „Wasser marsch!“ irgendwie eine vorausweisende Wirkung, wer weiß?
Die Suche nach Absperrventilen in äußerst dringlichen Situationen hat schon manchen zur Verzweiflung gebracht.
Besonders interessant fand ich aber: ‚Eine Frau versucht der Lage mit einem Wischmopp „Herr“ zu werden‘ – das zeugt nicht nur von deiner sprachlichen Eleganz, Louis, sondern auch von großer Kreativität und Entschlossenheit dieser Dame. Bewundernswert.
Jedoch, wie so oft im Leben, brachte weder die große Idee noch besondere Tapferkeit oder Mut die Lösung des Problems – sondern simples, stundenlanges Rumfrickeln. Aber irgendwie ist es tröstlich, dass der einfache (gemeine) Rumfrickler eben auch oft ans Ziel kommt. 🙂
Schöne Grüße, Bernie
Lieber Bernie,
wir hätten es nicht besser formulieren können! Danke.
Liebe Grüße aus Göteborg
Werner und Louis
Hallo ihr Lieben, kaum zu glauben diese Aufregung, zumal das Foto die Idylle pur zeigt. Sicherlich seit ihr total entspannt und jetzt fast jeder Herausforderung gewachsen. Bestimmt findet sich hier auch noch einiges was repariert werden will und mit euren Erfahrungen ein Klacks. Erholt euch noch tüchtig, damit ihr hier gleich loslegen könnt. Liebe Grüße Beate
Liebe Beate,
wir freuen uns natürlich wie doll und verrückt, was Du uns handwerklich so alles zutraust. Allerdings müssen wir, wenn wir ganz offen sind, zugeben, dass sich unsere Kernkompetenz doch eher in der Delegation niederschlägt.
Liebe Grüße aus Göteborg
Werner und Louis